DER ZOO UNTER DER ERDE IM ZOO DRESDEN von Hubert Lücker, Dresden Im Zuge der kompletten Neugestaltung des Zoos Dresden gehen wir davon aus, daß diese nur auf der Basis des aktuellen Wissenstandes erfolgen kann. Dabei gehen wir teilweise wenig betretene Pfade. So kam auch die Idee zum "Zoo unter der Erde" zustande. Wir wollten ein Tierhaus schaffen, in dem die Besucher die unterirdisch lebenden Tiere unserer Breiten kennenlernen und beobachten können. Zebras, Antilopen, Giraffen, Elefanten, Papageien, etc. sind mindestens oberflächlich bekannt, aber wer kennt schon das Leben der Maulwürfe, wer weiß genau, wie Ratten einen Kanal nutzen und wer hat schon einmal in eine Hummelkolonie geschaut? Wir begannen mit den inhaltlichen Überlegungen im Frühjahr 1996, aber es dauerte dann doch bis zum März 1997, bevor der erste Spatenstich getan werden konnte. Das Projekt wurde gefördert durch die Ministerien für Umwelt und Kultur des Freistaats Sachsen sowie unserem Förderverein. Die Fertigstellung war im Oktober 1997, also nach nur 8 Monaten Bauzeit. Ein Raum mit den Abmessungen 25 m lang, 6 m breit und 3 m hoch wurde so in die Erde gebaut, daß er nur ca. 1 m aus ihr herausschaut. Außen wurde die sichtbare Fläche mit Eibsandsteinbruch verkleidet. Das Dach wurde mit Wildbiumen und -Stauden begrünt, die gleichzeitig als Hummelweide füngieren. Zwei Eingänge und ein Ausgang existieren: Kinder können den Bau über eine "Hamsterrutsche" betreten und landen unten im Hamsternest für Kinder. Eine rustikale Treppe sowie ein behindertengerechter Zugang existieren zusätzlich. Innen wurden im Raum Kunsterdwände errichtet. In den Öffnungen derselben sieht man die Tiere. Dabei stellten sich zwei Probleme, die wie mit Hilfe und Tips der Semperoper lösen konnten: Das eine Probiem war die naturähnliche Deckengestaltung, das andere die Beleuchtung. Im ersteren Fall verwendeten wir einen Kunststoff, der später eingefärbt wurde und recht erdeähnlich aussieht, im zweiten Fall verwenden wir Kaltlichtquellen: 5 Projektoren mit entsprechenden Glasfaserkabeln dienen als Beleuchtung für das gesamte Haus. Hier war der Sinn der, daß wir über die Beleuchtung nicht zusätzliche Wärmequellen ins Haus bringen wollten. Das Raumklima geht in etwa mit dem der umgebenden Erde mit. Bei den Insekten haben wir einen optischen Trick zur Präsentation verwendet: Insekten sehen kein Rot oberhalb von ca, 620 nm. Wir haben daher Farbfilter eingesetzt, die alles unterhalb 620 nm abschneiden. Wir sehen die Anlagen im Rotlicht - für die Insekten ist Nacht. Direkt hinter der Rutsche beginnt die Tierhaltung mit einem nachgebauten Kanal, in dem Wanderratten (Rattus norvegicus) ihre Nahrung suchen. Die Tiere wechseln durch ein Lexan-Rohr in die gegenüberliegende Kunsterdwand, in der sich ihre Bauten befinden. Dort ziehen sie auch ihre Jungen auf. Im Anschluß an die Rattenanlage kommt die des Maulwurfs (Talpa europaea). Sie besteht aus Erdkisten, Gang* und Laubkisten nach Vorgaben von Prof. Witte von der Universität Kassel. Ais Gangsystem haben wir die bewährten Drainageschläuche mit ca. 46 mm Durchmesser gewählt. Alle Kisten stehen wie die der Insekten hinter einer doppelten Glaswand, um Erschütterungen durch klopfende Besucher zu minimieren. Gegenüber befinden sich zwei Regenwurm-Freianlagen, die im Prinzip wie große Glaskuvetten mit ca. 1 cm Abstand zwischen den Glaswänden aussehen. Gefolgt werden diese von zwei Anlagen für unterirdisch lebende Ameisen, Lasius-Arten. Hier sammeln wir noch Erfahrungen, Einige Haltungsversuche sind nicht zu unserer Zufriedenheit ausgegangen. Ganz anders dagegen die Haltung der Erdhummeln. Diese verläuft problemlos. Im Winter haben wir Völker von Biobest in Belgien bezogen, die die Hummeln als Agrarindustrie-Insekten in riesigem Umfang produzieren und in alle Welt verschiffen. Seit diesem Frühjahr fliegen die Hummeln aus und suchen draußen in den von uns seit 1996 angelegten Hummelgärten intensiv nach Nahrung. In den unterirdischen Kolonien kann das Wachsen der Völker gut beobachtet werden. Wir halten die Temperatur in den Nestern konstant auf 30-31 °C über lokale Wärmequellen, gekoppelt mit je einem Temperaturfühler.So bleiben die Wachsdeckel der Nester offen und die Besucher können in die Nester schauen An weiteren Insekten finden sich noch die Maulwurfsgrille und die Höhlengrille. Bei letzterer sind wir genau wie bei den Höhlensalm lern vom Schema der Präsentation einheimischer unterirdisch lebender Arten abgewichen. Der Grund lag mit darin, daß wir über die Förderun! durch das Kulturministerium Schüler eingebunden hatten. Eine der häufigsten Fragen war: Wie orientieren sich Tiere im Dunklen und unter der Erde? Daher kamen zwei Modellarten i Frage, mittels derer wir diese Frage beantworten können: Orientierung nach Vibrationen, Schwankungen in Luft- und Wasserdruck. Verläßt man den "Zoo unter der Erde", so gelangt man über eine behindertengerechte Rampe wieder nach oben. Längs der Rampe stehen vier Terrarien, besetzt mit Nagern. Unmittelbar am Ausgang leben die Grauen Steppenlemminge (Lagurus lagurus), gefolgt voi Dshungarischen Zwerghamstern (Phodpussungorussungorus), Rötel- (Clethrionomys glareolus) und Zwergmaus (Micromys minutus). Damit ist eine "aufsteigende" Reihenfolge i Bezug auf das unterirdische Leben gewählt. Wir haben neben einer ausgefeilten Beschilderung für unterschiedliche Vorkenntnisniveaus zusätzlich 7 Audiosysteme zweisprachig eingebracht. Hier können über 4-fach tief gestaffelten Text zusätzliche Informationen abgerufen werden. Texte und Beschilderung entstanden in sehr enger Zusammenarbeit mit der Zooschule und der pädagogischen Abteilung der Universität Kassel. Die Resonanz und Akzeptanz durch Besucher und Zooschule sind sehr gut. Dr. Hubert Lücker, Zoologischer Garten, Tiergartenstrasse 1, D-01219 Dresden.
|