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Mitteilungsheft 3/98

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DAS TIERPORTRÄT - NÖRDLICHER MULL-LEMMING

Nördlicher Mull-Lemming, Northern Mole-vole (Ellobius talpinus). Foto: Klaus Rudloff, 4.XI. 1998, Haltung: Tierpark Berlin

Nördlicher Mull-Lernming, Ellobius talpinus (Pallas, 1770), Northern Mole-vole
Ordnung: Nagetiere, Rodentia
Familie: Mäuse, Muridae
Unterfamilie: Wühlmäuse, Microtinae (Arvicolinae)

Beschreibung: Walzenförmiger Körper, an unterirdisches, maulwurfähnliches Leben angepaßt. Fell oberseits meist bräunlich-gelb, unterseits weiß bis dunkelgrau. Es wurden aber auch ganz helle, und sehr dunkle Fellvarianten beschrieben. Kopf-Rumpf-Länge 8 - 12,5 cm, Schwanz 0,9 - 1,5 cm. Die Augen sind sehr klein. Ohrmuscheln fehlen. Auffällig sind besonderes die freistehenden Schneidezähne, die nicht nur zur Zerkleinerung der Nahrung, sondem auch zum Graben dienen.

Verbreitung: Der Nördliche Mull-Lemming lebt in zwei getrennten Verbreitungsgebieten in den Steppen und Halbwüsten von der Ukraine bis Kasachstan und von Usbeskistan bis Sinkiang in China. Feuchte Gebiete werden gemieden. Er bewohnt verzweigte Gangsysteme mit Speicher-, Nest- und Schlafkammem, die etwa in 20 bis 30 m Tiefe liegen. Manche Kammern reichen auch 50 cm tief. Die Mull-Lemminge sind kaum einmal an der Bodenoberfläche zu sehen, sondern verbringen fast ihr ganzes Leben unterirdisch.

Unterkunft: Im Tierpark Berlin steht einem Paar Mull-Lemminge ein Glasbecken von 80 x 40 x 40 cm zur Verfügung. Zuerst wurde den Tieren Mulch und Heu als Substrat angeboten. Peter Romanow (früher Zoo Moskau und Akademie der Wissenschaften) empfahl uns ein Gemisch aus Stroh und Hobelspänen, in das verschiedene gröbere Pflanzen- und Holzteile eingebracht werden können. Sehr förderlich sind zusätzlich auch Röhren aus Pappe oder Plastik, die von den Tieren gern angenommen werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung eines festeren Erdgemischs, in dem die Mull-Lemminge selbst Gänge anlegen können. Die Substrathöhe sollte mindestens 25 cm betragen. Im Schaubereich haben sich lange, hohe aber nicht sehr breite Terrarien bewährt, in denen der Besucher die Tiere in ihren Gängen und Kammern unter der Erde beobachten können.

Zucht: Über das Sozialleben der Mull-Lemminge ist recht wenig bekannt. Sie leben in Kolonien, die je nach Nahrungsangebot in der Individuenzahl schwankt. Es ist aber nicht bekannt wie groß ihre Toleranz zu ihren Artgenossen ist. Bisher gab es keine Schwierigkeiten, die Tiere paarweise oder auch zu viert zu halten. Jedoch scheint es empfehlenswert, während der Jungenaufzucht in kleineren Unterkünften das Männchen abzutrennen. Die Geschlechtsreife tritt bei den Weibchen mit etwa 3 bis 4 Monaten ein. Die Tragzeit beträgt 26 Tage. Die Wurfgröße soll bei erstgebärenden Weibchen zwischen 4 und 7 Jungen liegen. Freilandforscher fanden aber meist nur 2 bis 4 Junge in den Nestkammern. Pro Jahr können die Weibchen 6 - 7 Würfe zur Welt bringen.

Futter: In der Natur fressen die Mull-Lemminge vor allem unterirdische Pflanzenteile, u.a. Knollen, Wurzeln und Zwiebeln. Besonders beliebt sind in Kasachstan die unterirdischen Teile der Wildtulpen. In Menschenhand muß auf jeden Fall darauf geachtet werden, daß die Tiere keine zu kalorienreiche Nahrung erhalten. Mohrrüben, Sellerie- und Petersilienknollen oder ähnliches sind als Ersatznahrung geeignet. Süße Früchte dürfen nicht gefüttert werden. In der Sommerzeit können auch Kräuter, frische Zweige und Laub von Weichhölzern angeboten werden. Auch Körnerfutter wird gern angenommen. Der Wasserbedarf wird über die Pflanzen gedeckt.

Besonderes: Die Tiere des östlichen Verbreitungsgebietes werden von einigen Wissenschaftlern auch als eigene Art Ellobius tancrei Blasius, 1884 abgetrennt. Demnach gehören die Importtiere 1998 aus China dieser Art oder Unterart an. Bis zu einer endgültigen Bestimmung sollte aber der allgemein gültige Name Ellobius talpinus verwendet werden.

Schrifttum:

GÖRNER,M. & HACKETHAL,H. (1987): Säugetiere Europas. Neumann Verlag. Leipzig & Radebeul.

HECK,LUDWIG (1925): Nagetiere. In: ZUR STRASSEN, O. (Hrsg.): Brehms Tierleben. Die Säugetiere. Zweiter Band. Vierter Neudruck der vierten, vollständig neubearbeiteten Auflage. Bibliographisches Institut in Leipzig.

NOWAK,R.M. (1991): Walker's Mammals of the World. Fifth Edition. The Johns Hopkins University Press. Baltimore & London.

OGNEV,S.l. (1964): Mammals of the U.S.S.R, and Adjacent Countries. Vol. VII. Rodents. Jerusalem.

YAKIMENKO,L.V. & LYAPUNOVA,E.A. (1986): Cytogentic corroboration of belonging of northern rnole vole from Turkmenia to Ellobius talpinus s. str. Zooloicheskii Zhumal 65, 946-949.

Klaus Rudloff, Tierpark Berlin, Am Tierpark 125, D-10307 Berlin

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